Schiller-Krimis aus Marbach am Neckar

aus der Presse

Erstmals Krimi in Schillers Taufkirche

23.07.2010

Lesungen gibt es in den Kirchen jeden Sonntag. Erstmals ist es am Mittwoch in der Marbacher Stadtkirche um einen Krimi gegangen.


Oliver von Schaewen nimmt im Chorraum Kontakt zum Publikum auf.

Pfarrer Martin Weigl stellte zur Begrüßung die Frage, die sich manche vielleicht selbst gestellt haben mochten: „Ein Krimi in der Stadtkirche, und dann auch noch im Chorraum?“. Und er befand, dass das durchaus gehe. Schon die Bibel sei voll mit schlimmen Geschichten, angefangen bei Kain und Abel über die Josefsgeschichte bis hinein ins Neue Testament, wo beispielsweise Paulus und Petrus im Gefängnis landen. Er bedankte sich bei Autor Oliver von Schaewen, auch, weil dieser den Erlös des Abends für die Renovierung der Kirche spendet.

Er sei derjenige, der danken müsse, entgegnete der Autor. In Schillers Taufkirche aus seinem Schillerkrimi lesen zu dürfen, sei etwas ganz Besonderes. Dazu gab es eine für diesen Raum besondere Musik. Kantor Hermann Toursel spielte die bekannte Melodie aus der Krimikomödie The Pink Panther.

Nun liest von Schaewen nicht einfach drauf los. Vielmehr nutzt er Stichworte seines Buchs, um das Publikum direkt anzusprechen. Vor sich eine Kartoffel der Sorte Annabell, festkochend,  als Symbol für das Lieblingsessen seines westfälischen Kommissars Peter Struve, fragt er, wer „Reingschmeckter“ sei wie er selbst und wer lieber Kartoffeln statt Spätzle esse, um dann schmunzelnd festzustellen, dass Marbach ein „Schmelztiegel“ unterschiedlicher Herkünfte sei. Dieser feine, manchmal leicht ironische Humor zieht sich auch durch sein Buch „Räuberblut“. Es lehnt sich strukturell an Schillers Drama „Die Räuber“ an, weshalb eine tragische Familiengeschichte mit einem Patriarchen und zwei ungleichen Söhnen eine tragende Rolle spielt. Auch dieses Motiv findet sich schon in der Bibel, in der Geschichte vom verlorenen Sohn, bemerkt Oliver von Schaewen,  der vor seiner Laufbahn als Redakteur ein Theologiestudium abgeschlossen hat.  Was bei Schiller Maximilian, Franz und Karl Moor, das sind bei ihm Hermann, Frank und Kai Moosburger. Letzterer führt als Survival-Trainer das  Kommando, erklärt von Schaewen und zieht augenzwinkernd einen nicht ganz ernst gemeinten Vergleich zu seinem im Publikum sitzenden Chef gleichen Vornamens, dem Geschäftsführer der Marbacher Zeitung, Kai Keller. Der konnte darüber lächeln. Immerhin ist Kai Moor im Buch der gute Idealist, der sich aus moralischen Gründen von seiner Familie losgesagt hat und in die Wälder von Spiegelberg gezogen ist. So heißt auch  ein Räuber bei Schiller, und diese Namensgebung hängt tatsächlich mit dem Ort Spiegelberg zusammen, der in „Räuberblut“ sozusagen an seinen Ursprung zurückgeführt wird. Schillers Vater hatte sich mit den damaligen Bergwerken von Spiegelberg verspekuliert. Hauptschauplatz ist aber Schloss Monrepos, was den Kommissar nebenbei über den Absolutismus und Schubarts Gefangenschaft auf dem Hohenasperg räsonieren lässt. Auch andere kritische Gedanken, von der Vernichtung realer Erzeugerpreise bis zur Ehekrise, lässt der Autor über seine zahlreichen Figuren einfließen. Es scheint, als ginge es ihm nicht um einen Mordfall des Nervenkitzels wegen, sondern als benutze er vielmehr das Genre des Krimis, um andere Botschaften zu verbreiten.  Aus dem Buchverkauf und von Spenden kamen an diesem Abend 150 Euro für die Stadtkirche zusammen.

von: Astrid Killinger, Marbacher Zeitung, 23. Juli 2010

Zurück